... um mehr zu erfahren über die Besonderheiten unserer Kirche


Geschichte der Gemeinde und des Kirchgebäudes

 

Die Wurzeln unserer Gemeindegeschichte reichen zurück bis in die Anfänge der Reformation in Wien, als Tausende von Besuchern in der 2. Hälfte des 16. Jhdts. in die lutherischen Gottesdienste ins Landhaus strömten. Als dies schließlich untersagt wurde, wandten sich die Evangelischen zu den Schlössern so mancher Adeliger in den Vorstädten, in denen evangelische Gottesdienste eingerichtet worden waren. Durch die harten Maßnahmen der Gegenreformation wurde dann jegliches öffentliches evangelisches Leben unterbunden und in den Untergrund abgedrängt. Erst im Jahre 1781 wurde den Evangelischen in Wien durch das Toleranzpatent wieder beschränktes kirchliches Leben gestattet. In diesem Zusammenhang wurde ein Teil des säkularisierten Königinnenklosters gekauft und zu einem "akatholischen" Bethaus umgebaut, in dem von nun an die evangelischen Gottesdienste stattfanden.

Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts erwiesen sich die Räumlichkeiten der bestehenden Kirche (in der Dorotheergasse) vornehmlich an den hohen Festtagen als völlig unzureichend. Deshalb war das Vorsteher-Collegium seit der zweiten Hälfte der Vierziger Jahre darauf bedacht, dem vorhandenen Bedürfnis durch die Erbauung einer neuen Kirche in einer zweckentsprechenden Lage abzuhelfen. Der Vorsteher Johann Georg  Scherzer hatte eine günstige Gelegenheit zum Ankauf eines Bauplatzes in der Vorstadt Gumpendorf vermittelt, und der Platz wurde um die Summe von 8.000 fl. gekauft, welche einzelne wohlhabende Mitglieder durch einstweilige Darlehen aufgebracht hatten. Sofort wurden mehrere Architekten eingeladen, Baupläne zu entwerfen. Es gilt noch die Toleranzgesetzgebung, also: kein Turm, kein Eingang von der Hauptstraße her.

Bild:  Projektskizze von L. Förster (so wurde die Kirche nicht ausgeführt)      

 

1846-1849

Der dem Architekten Ludwig Förster und dem damaligen Hofbaurate Theophil Ritter v. Hansen übertragene Bau wurde unter der eifrigen, aufopfernden Sorgfalt und Tätigkeit des Vorstehers Friedrich Ullinger seiner Vollendung entgegen geführt, so dass für den 6. Jänner 1849 die Grundsteinlegung* (mit Urkunden) und für den 7. Jänner 1849 die Einweihung der Kirche festgesetzt werden konnte.

(*Bei Kirchenbauten ist der Grundstein nicht der erste Stein bei Baubeginn, sondern der Stein, in dem Unterlagen und Zeitdokumente eingemauert werden.)

1861

Infolge des am 8. April erlassenen Protestantenpatents und der Ministerialverordnung vom 9. April d.J. wird der bisherige Kirchenausschuss aufgelöst, und es findet im August die Wahl von 232 Gemeindevertretern statt. Diese Gemeindevertretung versammelt sich am 8. August zum ersten Mal und wählt nach geschehener Information durch Herrn Theodor Ritter v. Hornbostel 32 Presbyter aus ihrer Mitte. In Gumpendorf wird ein Haus um 32.000 fl. angekauft und als Filialschulhaus eingerichtet. Ende des Jahres wurde die Tischgesellschaft und die Ortsgruppe der Gustav-Adolf-Stiftung „Gumpendorf“ gegründet.

 

1864

Am 22. Mai tritt die erste Generalsynode zusammen. Der einleitende Festgottesdienst findet in der Gumpendorfer Kirche statt. In der Gemeindevertretersitzung vom 8. Juli wird Ritter v. Hornbostel zum Kurator gewählt.

 

1870

An der Gumpendorfer Kirche haben sich größere Reparaturen als notwendig herausgestellt, welche mit dem Kostenaufwand von 4.322 fl. 10 kr. durchgeführt werden. Unter einem wird die Orgel einer Reparatur unterzogen und dafür 823 fl. verausgabt. Die Kirche wird auch neu ausgemalt, wofür Kosten durch private Opferwilligkeit bestritten wurden. Infolge der neugeschaffenen Schulgesetze wird die Evangelische Schule neu organisiert. Bild: Reliefdetail                                                                                                                                                     

1882

Die Gemeindevertretung genehmigt am 30. März den Antrag des Presbyteriums, es sei auf dem Bauplatz neben der Gumpendorfer Kirche ein dreistöckiges Gebäude aufzuführen, in demselben die Pfarrerwohnung und vorläufig drei Zimmer für die Schule und ein Turnlokal herzurichten, und sei der für diesen Bau in Anspruch genommene Kostenbetrag von 60.000 fl. durch Aufnahme eines Anlehens oder in anderer Weise zu beschaffen. Nach erfolgter Bestätigung durch den k.k. Oberkirchenrat wird mit dem Bau sofort begonnen und das Haus am 4. September unter Dach gebracht.

 

1888

Am 16 März wird ein Trauergottesdienst anlässlich des Ablebens des deutschen Kaisers Wilhelm I., abgehalten, dem auch Kaiser Franz Josef I. beiwohnte. – Am 19. April beschließt das Presbyterium, der altkatholischen Gemeinde auf Ansuchen des Syndonalrates derselben, die Gumpendorfer Kirche zur Abhaltung ihrer Gottesdienste zu überlassen und es findet am 8. September der erste Gottesdienst statt.

 

1896

Im Juli wird die Gumpendorfer Kirche einer durchgreifenden Ausbesserung unterzogen.

 

1914

Nunmehr stehen alle Sitzungsberichte des Presbyteriums und der Gemeindevertretung unter dem Einfluss des Krieges. Am 6. August fasste das Presbyterium folgende Beschlüsse über die zu treffenden Maßnahmen:

  • 1. Die Kirchen bleiben tagsüber geöffnet und abends ½ 7 werden Andachten gehalten.
  • 2. Die Kirchenopfer an Sonntagen und bei Abendandachten sind dem Roten Kreuz und den Familien der Einberufenen zu widmen.
  • 3. Den Pfarrern werden vorläufig K 1000.- zur Verteilung an bedürftige Familien zur Verfügung gestellt.
  • 4. Die Schulräume sollen bei Bedarf der Kriegsfürsorge zur Verfügung gestellt werden; darüber hat sich der Kurator mit der offiziellen Stelle der Kriegsfürsorge in Verbindung zu setzen.
  • 5. Es ist anzustreben, einen Vertreter der Gemeinde in das offizielle Kriegsfürsorgeamt zu entsenden.
  • 6. Zusammensetzung und Wahl eines Ausschusses, der die Fürsorge einzuleiten und durchzuführen hat.
  • 7. Diese Beschlüsse sind der reformierten Gemeinde mitzuteilen.

1923

Der Jänner bringt uns die Wahl des neuen Pfarrers für Gumpendorf. Wahltage sind der 6., 7., 8., 13. und 14. Jänner. Da es sich nach den ersten drei Wahltagen herausstellte, dass die Teilnahme der Wähler eine mäßige gewesen ist, werden am 9. Jänner die Gemeindevertreter von Gumpendorf zu einer Sitzung einberufen und unter Beigabe von Wahlaufrufen gebeten, persönlich für größere Beteiligung an den verbleiben zwei Wahltagen zu werben. Die Folge davon ist, dass an diesen Tagen eine lebhafte Beteiligung der Gemeindemitglieder stattfindet und es in der Gemeinde Wien zum ersten Mal gelingt, dass eine Pfarrerwahl in der für die Wahl festgesetzten Zeit erfolgreich abgeschlossen werden kann. Von 2146 Wählern sind 1190 erschienen, von denen 1180 für Pfarrer Muhr votierten. Derselbe erscheint somit fast einstimmig gewählt. 

7. November: Erste Gemeindevertretersitzung im neuen Gemeindesaal. Gemeindemitglied Hruza widmet für den Gemeindesaal eine große Wanduhr. Der Gemeindesaal wird nunmehr außer zu den regelmäßigen Sitzungen auch zu Versammlungen des Frauenvereins und zu sonstigen Gemeindezwecken in Benützung genommen. – Antrag Welcker, unsere Gumpendorfer Kirche von nun an „Gustav-Adolf-Kirche“ zu nennen, wird angenommen.  Es ist die Kirche des gehobenen Bürgertums, das im Westen siedelte. Die Sitzplätze in der Kirche musste man mieten. Von diesen Einnahmen wurden u.a. alle kirchenmusikalischen Kosten bestritten (Organist, Kirchenchor).

Bild: Kirche innen um 1924

 

1934

Die Evangelische Kirche expandiert zahlenmäßig: Los-von-Rom-Bewegung. Im österreichischen Ständestaat, einem Staat des politischen, faschistischen Katholizismus, war es praktisch unmöglich, keiner Kirche anzugehören. Wer die katholische Kirche verlassen wollte, wurde evangelisch, seltener altkatholisch. Das Gumpendorfer Eintrittsbuch aus diesem Jahr umfasst zwei dicke Bände mit 2534 Reihenzahlen. Übertrittsunterricht wurde in der berstend vollen Kirche gehalten. Wie können alle diese Menschen in die Gemeinde integriert werden? Durch die Kinder im Religionsunterricht, hoffte man, und legte seit damals stärkstes Augenmerk auf den Religionsunterricht. Das Problem neben der Schwierigkeit der Integration: die Motive waren weniger religiös als politisch. Die evangelische Kirche galt als deutschnational.

 

1938

Entsprechend groß war die Begeisterung, als Österreich an Hitler-Deutschland angeschlossen wurde. Gumpendorf galt als Zentrum des deutsch-nationalen Protestantismus. Es gab in Gumpendorf eine eigenartige Situation: Neben der deutschnational orientierten Evangelischen Kirche (nicht unbedingt nationalsozialistisch, wohl aber antisemitisch) - mit ihrem Gemeindepatriarchen Senior Muhr gab es die Katholische Kirche, in der sich ein Zentrum der katholischen studentischen Widerstandsbewegung unter Pater Leppich verbarg. Aber, auch dies ist zu sagen: im Dach der Evangelischen Kirche wurden zeitweise 2 Jüdinnen von Pfarrer Muhr versteckt.

Das Jahr brachte einen Aufbruch. Die Kirche füllte sich wieder, viele „Gottgläubige“, so hießen im Nationalsozialismus die Konfessionslosen, kehrten in die Kirche zurück. Der Hauptanstoß kam aber von der Jugendarbeit. Kirchliche Jugendarbeit stand damals in Blüte, gab es doch außerhalb der Jugendorganisationen kaum Freizeitangebote für die Jugend. In Gumpendorf war aber mehr. Hier gab es eine Konzentration von engagierten Mitarbeitern, und „Jugendführern“, die Kreise blühten auch geistlich.

Hier entstanden auch Ideen einer anderen Kirche, lebendig, mit Mitbeteiligung der Gemeindemitglieder, gerade auch der Jugend.

Vieles, was später von vielen gemacht wurde, wurde in Gumpendorf zuerst probiert. Kurzandachten an Wochentagsabenden; „Jugendpresbyterium“, eine Vertretung der Jugend in der Gemeindevertretung; ökumenische Gottesdienste, etwa auch am Reformationstag; offene Jugendarbeit im Klub;

Konfirmandenfreizeiten; Aufgreifen aktueller Themen in vielfältiger Form; Schaffung einer Gemeindezeitung mit moderner Gestaltung und auch zeitbezogenen Themen und vieles andere mehr. Vieles davon hielt nicht. Zum Ausprobieren gehört aber auch das Misslingen!

Bild: Kreuzfahrerjugend bei 100Jahr-Feier 1949

 

1963

Als sich 1960 das Presbyterium auf die dringend notwendige Innenrenovierung vorbereitete, wurde ihm bald klar, dass eine bloße Wiederherstellung der alten Raumgestaltung nicht möglich war. Zu sehr war der Raum nicht nach den Wünschen des Architekten, sondern dem Zufall entsprechend gestaltet worden. So wurde bei der Innenausmalung von 1870 der Raum sehr dunkel und vielfarbig. Der Altar-Kanzel-Aufbau, Verlegenheitslösung infolge des fehlenden Altarbildes, ist theologisch problematisch. Alles Unruhige, Ornamentale, Dunkle verschwand, der Raum wurde dadurch lichter. Die Kanzel wurde heruntergeholt auf die rechte Seite, Christus in die Höhe gehoben und auf eine Erdkugel gestellt, und schließlich der Altartisch von der Wand gerückt.  In den Jahren 1982-1987 erfolgten weitere Sanierungsarbeiten (Trockenlegung, Dacherneuerung, Fassade). Bild: nach Renovierung 1963

 

1998/99

In Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt erfolgte eine nochmalige Innenrenovierung.

 

Heute

Kirche, vor allem Minderheitskirche, wie es die Evangelische in Österreich nun einmal ist, braucht Profilierung in der Öffentlichkeit. Es genügt nicht, altbewährte Dinge treu und gediegen weiter zu machen. Es muss plausibel sein, warum es eine Evangelische Kirche gibt. Es muss deutlich werden, dass das protestantische Erbe, der Glaube an die umfassende Menschenliebe Gottes und die Überzeugung von der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes für die Menschen wichtig ist. Darum hat man sich in Gumpendorf immer bemüht, mit mehr oder weniger Erfolg. Aber auf dem Weg war man eigentlich immer.

Bild: nach Renovierung 1998/99